HANNU PRINZ

Die Schwelle

16. Sep – 10. Oct 2015

Exhibition view exhibition view

Erste Einzelausstellung des Künstlers Hannu Prinz in Berlin!


KWADRAT zeigt anlässlich der Berlin Art Week im September 2015 die erste Berliner Solo-Ausstellung von Hannu Prinz. Der Künstler wurde 1978 in Berlin geboren und studierte unter anderem bei Daniel Richter an der Universität der Künste.

Hannu Prinz kehrt der klassischen Malerei den Rücken. Aus seinen Werken hat er Figuren und traditionelle Malmittel verbannt. Lediglich die Grenzen des Keilrahmens respektiert er und die Leinwand bleibt seine Grundlage. Selbst im großen Format bleibt ihm jedoch kaum genug Raum für seine Bildideen, die infolge reliefartig hervorbrechen. Im Grunde betrachtet man bei Prinz nämlich nicht ein Bild, sondern einen Bilderstapel: Schicht für Schicht legt der Künstler seine Kompositionen übereinander, wobei sich lediglich Anfangs- und Endpunkt des Malprozesses erkennen lassen. Zuunterst liegen Fragmente verschiedener Symbolsysteme wie Wörter, Piktogramme oder herausgelöste, architektonische Elemente, die sich schemenhaft durch die Ebenen drücken. An der Oberfläche bricht Prinz schließlich vollkommen mit den Konventionen und überzieht seine Bilder mit einem Flickenteppich aus überwiegend dunklem Leder. Neben dem visuellen Reiz tritt plötzlich die Haptik der Arbeiten in den Vordergrund. Rappenfell oder Innenleder, das mit seiner weichen Seite in den Ausstellungsraum zeigt, fordern den Betrachter heraus, sich anzuschmiegen.

Die Schwelle ist in vielerlei Hinsicht bedeutend für die Arbeiten von Hannu Prinz. Bis aufs Äußerste wird die Hemmschwelle, die Kunstwerke zu berühren erprobt. Doch auch inhaltlich verweisen die Bilder auf transitorische Momente zwischen dem Künstler Hannu Prinz und der Privatperson, zwischen einer nüchternen Betrachtung der Umgebung, ihrer Rückführung auf das Zeichenhafte und dem Verweis auf Phantasie- oder Geisteswelten.
Mit dem Blick auf eine Tür schürt die Schlüsselarbeit der Ausstellung beispielsweise „Große Erwartung(en)“ auf die Wohnzimmerstimmung dahinter, auf Heimat und Zuhause. Der Abguss wurde in der Wohnung des Künstlers gefertigt und führt uns unmittelbar in seine Privatsphäre.
Das Werk „Das Fenster“ ermöglicht hingegen den prismatisch gestreuten Blick durch das Rosettenfenster der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin. Wie beim nächtlichen Kirchgang, dessen mystische Stimmung sich durch das Mondlicht steigert und den Blick gen Himmel zur spirituellen Erfahrung erhebt, schimmert ein Hauch von Jenseits durch das Maßwerk. In entgegengesetzte Richtung, auf den Boden der Realität, verweisen in Prinz’ Arbeiten keine zufällig wirkenden Farbkleckse, sondern die Yard-Angaben auf Lederresten. Als subtile Kommentare betonen sie in diesem Fall die mathematische Meisterleistung der gotischen Baumeister, die von Schinkel zitiert wurden.

Schließlich pointiert „In hohen Wellen“ eine Grundfrage, die sich aus den Arbeiten des Künstlers ergibt. Sie gehen nicht nur physisch ins Gewicht – die Arbeit „Große Erwartung“ wiegt beinahe ebensoviel wie eine echte Flügeltür –, sondern sind auch inhaltlich aufgeladen. Vor dem Photo eines Papierschiffchens stehen nun auf gerußter und mundgeblasener Scheibe die letzten Verse von Arthur Rimbauds „Le Bateau Ivre“. Eins-zu-eins überlagern sich Wort und Bild. Wo bleibt die Transferleistung des Künstlers?, möchte man fragen oder ihm den Vorwurf machen, seine Arbeiten durch inhaltliche Bezüge aufzuwerten. Widersprüchlicher Weise gerät die eigentlich von Künstlern erwartete kulturelle Prägung plötzlich in den Fokus der Kritik. Prinz zeigt aber, das beides geht: Es gibt jede Menge Inhalt und doch bedarf es weder dem Verweis aufs Private, auf Ingeborg Bachmann oder Schinkel, um die Hand auszustrecken und dem Reiz der Versuchung zu erliegen.

Text: Lydia Korndörfer

Website des Künstlers: http://hannuprinz.de popup: yes

KWADRAT is pleased to announce the first solo exhibition of Hannu Prinz in Berlin. The artist was born in 1978 in Berlin and studied, amongst others, under Daniel Richter at the Universität der Künste.
Hannu Prinz turned his back on classic painting. He has banished figures and traditional painting materials and merely respects the borders of the canvas. The fabric remains the foundation of his work. However, even large formats hold barely enough room for his pictorial ideas that break into the room like reliefs. Essentially, with Prinz one doesn’t view just one image, but a stack of images: layer by layer the artist superimposes his compositions, whereby only the start- and endpoint of the painting process remain recognizable. At the very bottom lie fragments of various symbolic systems such as words, pictograms or extracted architectural elements which express themselves shadowy through the layers. On the surface Prinz ultimately breaks the conventions and overlays his pictures with a patchwork rug, predominantly of dark leather. In addition to the visual stimulus, the texture of the work suddenly comes to the foreground. A black horse’s fur and inner leather lining – showing with its softer side into the exhibition space – entice the viewer to cling to the artwork.

“Die Schwelle” (The threshold) is in many ways significant to the works of Hannu Prinz. The inhibition level and urge to touch them are tested to the utmost limits. But also in terms of content the works refer to the transitory moments between the artist Hannu Prinz and the private individual, between a sober consideration of the environment, its reduction to symbolic systems and the allusion to phantasy or intellectual worlds. With the view of a door, the key work of the exhibition fuels “Große Erwartungen” (Great expectations) of the living room ambience behind it, of home. The cast was crafted in the artist’s apartment and takes us instantly into his private sphere.

The work “Das Fenster” (The window) on the other hand, allows a prismatically scattered look through the rose window of the Friedrichswerdersche Kirche, a church in Berlin. As during a nightly churchgoing, when the mystical atmosphere is heightened by the moonlight and elevates the glimpse towards heaven to a spiritual experience, a hint of the afterlife shimmers through the tracery. Looking down in the opposite direction, it is not accidentally made up smudges of colour, but yard indications that are printed on the leather which refer back to reality and dismantle illusion in Prinz's works. In this case, they subtly comment on the mathematical master strokes of the Gothic builders who were cited by Schinkel.

Finally "In hohen Wellen” (In high waves) emphasizes a fundamental question that arises from the artist's work. They are not only physically significant – the work "Große Erwartung" weighs almost as much as a real wing door – but also charged in terms of content. The last verses of Arthur Rimbaud's "Le Bateau Ivre" are written on soot-blackened and mouth-blown glass in front of the picture of a paper boat. Image and text overlap each other, one by one. Where is the transfer capacity of the artist? One would like to ask or reproach him to reevaluate his work through substantial references. Contradictorily the cultural background that is actually expected of artists, is suddenly in the focus of criticism. Prinz, however, shows that both is possible: There's plenty of content and yet it requires neither reference of the personal background, of Ingeborg Bachmann nor of Schinkel, to give in to temptation and to touch.

Text: Lydia Korndörfer

Website of the artist: http://hannuprinz.de popup: yes