VIKTORIA STRECKER

NIGREDO

11. Sep – 09. Oct 2021

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In der Alchemie bedeutet „Nigredo“ Schwärze, Fäulnis oder Zersetzung. Viele Alchemisten glaubten, dass als erster Schritt auf dem Weg zum Stein der Weisen alle alchemistischen Zutaten gereinigt und ausgiebig zu einer einheitlichen schwarzen Substanz gekocht werden mussten.


NIGREDO
Viktoria Strecker beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit den Visualisierungsmöglichkeiten einer zeitlosen Urstruktur, die kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklungen zugrunde liegt. Die Zeichnung, als unmittelbarstes künstlerisches Medium, kann sich hierbei vom Papier heben und in trainierter Methode in den Raum ausdehnen. Aus verschiedenen Materialien entwickelt sich so ein Vokabular, das Möglichkeiten der Materialisierung einer Universalsprache erforscht.
In langjähriger Assistenz bei Marcel Odenbach an der Kunstakademie Düsseldorf, hat sich dieses Vokabular vergrößert. Antrieb dieser Innovation ist die Mischung aus Manie und Methode, Streckers Intuition und Hingabe in Paarung mit technischer Systematik. Materialien und situative Gegebenheiten eröffnen einen immensen Formenreichtum, dessen Spektrum im Ausstellungskonzept gezeigt werden soll.
In der Alchemie bedeutet „Nigredo“ Schwärze, Fäulnis oder Zersetzung. Viele Alchemisten glaubten, dass als erster Schritt auf dem Weg zum Stein der Weisen alle alchemistischen Zutaten gereinigt und ausgiebig zu einer einheitlichen schwarzen Substanz gekocht werden mussten.
In der analytischen Psychologie, begründet durch Carl Jung, wurde der Begriff zu einer Metapher für „die dunkle Nacht der Seele, wenn ein Individuum dem inneren Schatten begegnet“.
Nigredo kann als Individuationsprozess verstanden werden, ein subjektiv-erlebter Prozess, der durch das schmerzhafte, wachsende Bewusstsein des Subjekts über seiner Schattenaspekte hervorgerufen wird. Ein Moment maximaler Verzweiflung, der Voraussetzung für die persönliche Entwicklung ist.
Dann weicht die Nigredo der Albedo - der immer tiefer werdende Abstieg ins Unbewusste wird plötzlich zur Erleuchtung von oben.
Die für NIGREDO ausgewählten Werke, können als verschiedene Aspekte und Stadien der Seelennacht verstanden werden. Feine Zeichnungen aus selbstgemischter Tinte, die in ihrer Fragilität im schreienden Kontrast zu eingeritzten Schultafeln stehen. Klaustrophobische Raumelemente, die den Betrachter*innen nah kommen und glatte Oberflächen, die das Chaos in Ästhetik bannen. Eine Entwicklung vom Dunklen zum Hellen, von groben zu feinen Stellen.
Die zeitweilige absolute Zurückgeworfenheit auf das eigene Selbst, hat in den vergangenen Monaten zu viel individueller Reflexion und Auseinandersetzen mit existenziellen Ängsten geführt. Insbesondere Kunst und Kultur waren mit der Frage der eigentlichen Bedeutung innerhalb der Gesellschaft konfrontiert und mussten sich neue Ausdrucksmöglichkeiten suchen, um den eigenen Bestand wahren zu können.
NIGREDO untersucht den Gedanken, ob aus der Beschäftigung mit den eigenen Abgründen etwas Außergewöhnliches, möglicherweise Verbessertes oder Wahreres entstehen kann. Ob dem Chaos eine schöpferische Qualität innewohnt, ein pures Potenzial, dem man – wie Strecker – eine Form vorschlägt und gleichzeitig möglichst nah an der Komplexität der Urform bleibt, weil diese alle Existenzen verbindet.